Pinguinwetter

Eine Komödie

von Sabine Misiorny und Tom Müller
nach dem Roman von Britta Sabbag

Charlotte wird auf dem Höhepunkt ihrer Karriere gefeuert. Außerdem erhält sie von ihrer Mutter äußerst fragwürdige SMS aus der U-Haft in Grönland. Dann entscheidet sich ihr Immer-mal-wieder-Mann Marc auch noch, endlich in den Hafen der Ehe einzuschiffen – allerdings nicht mit ihr. Und nun? Rein in die rosa Babyelefantenhose und rauf aufs Sofa!
Um Charlotte auf andere Gedanken zu bringen, drückt Freundin Trine ihr Sohnemann Finn aufs Auge. Als es bei einem Zoobesuch zu einem Beinahe-Unfall kommt, steht Charlotte der alleinerziehende Eric als Retter in der Not zur Seite. Weil der jedoch glaubt, Charlotte sei Finns Mutter, geht der Schlamassel erst richtig los …

Informationen

Besetzung: 3 W, 2 M
Deko: Wechseldeko

Uraufführung:
Juli 2013, TiC, Wuppertal

Italienische Erstaufführung:
März 2014, Volksbühne Laas, I-Laas

Niederdeutsche Erstaufführung:
Oktober 2022, Speeldeel Schleswig

Aufführungsrechte & Ansichtsexemplar bestellen:
Vertriebsstelle und Verlag (VVB), Norderstedt (Hochdeutsch)
Vertriebsstelle und Verlag (VVB), Norderstedt (Niederdeutsch)

 

Das schrieb die Presse

Sabine Misiorny hat zusammen mit ihrem Partner Tom Müller die perfekte Bühnenfassung geliefert …
Besonders gelungen sind die Szenen, in denen Charlotte das eigene Leben kommentiert: Immer wieder unterbrechen Gedankenblitze die Dialoge – mit herrlicher Selbstironie versucht die Anti-Heldin, ihr Leben zu ordnen …

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Für ein gutes Theater gibt es kein Rezept, aber mit den richtigen Zutaten und einem guten Koch kann es gelingen …

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Erfrischend und erotisch prickelnd …Die heitere Beziehungskomödie […] zeigt zwischenmenschliche Situationen auf, in denen man sich selbst wiederfindet …
Für Lacher sorgen pointierte Aussagen …

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Britta Sabbags »Pinguinwetter« und die Bühnenfassung von Sabine Misiorny und Tom Müller halten noch so manchen »Wetter-Wechsel« bereit – Langeweile kommt da nie auf …

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Ein rasantes Bühnenstück mit fast fliegenden Szenenwechseln, fast so, wie die schönen lockeren Liebeskomödien im Kino, mit leicht ironischen Untertönen, die nicht nur von Frauen gern gesehen werden. Funktioniert, wenn Drehbuch, Regie und Darsteller einfach gut sind …

Hannover LIVE

Diese Inszenierung macht einfach Spaß. Es gibt eine Menge zu lachen. Viel Zwischenapplaus. Einfach superlustig …

Neue Presse

Textauszug

1. Akt

1. Szene

 

Charlottes Wohnung.

 

Charlotte betritt apathisch ihre Wohnung (linke Bühnenseite). Vor sich trägt sie einen Karton, aus dem die Blütenstiele einer dem Untergang geweihten Orchidee herausragen.

Hinter ihr kommt Mona, bepackt mit Filzstoffen. Sie zieht eine Sackkarre hinter sich her, auf der Kisten  gestapelt sind; aus der obersten quillen Filzstoffe.

 

Mona: Charlie! Was machst du denn um diese Zeit hier? Hast du heute frei? Toll! (Sie lässt die Sackkarre stehen und stellt sich Charlotte in den Weg, um sie aufzuhalten.) Du siehst aber schlecht aus! Krank irgendwie! So blass … Hast du was?

(Charlotte starrt nur vor sich hin.)

Mona: (mit Blick auf die Orchidee) Du meine Güte! Glaubst du, du kannst dieses Gewächs noch retten?

Charlotte: (tonlos) Orchideen brauchen nicht viel Wasser.

Mona: (zweifelnd) Aha!

Charlotte: (weiterhin tonlos) Ich muss sie sowieso zurückbringen. Sie gehört zur Ausstattung.

Mona: Zu welcher Ausstattung?

Charlotte: Zu meiner Büroausstattung.

Mona: Warum bringst du sie dann mit?

Charlotte: Ich dachte, sie sei ein Willkommensgeschenk.

Mona: Willkommensgeschenk? Arbeitest du nicht schon seit zwei Jahren in dem Verlag?

Charlotte: Seit drei Jahren.

Mona: Und da kriegst du jetzt ein Willkommensgeschenk? Wow, die haben aber eine lange Probezeit. Aber warum bringst du die mit, wenn sie zur Ausstattung gehört? Ich meine, kein Wasser geben kannst du ihr auch, wenn du mit ihr in deinem Büro sitzt.

Charlotte: Ich wusste nicht, dass sie zur Ausstattung gehört. Frau Zänker hat mir das gesagt, als ich gerade mit dem Karton in den Aufzug steigen wollte.

Mona: Zänker? Du meinst die muffige Trockenpflaume, die dir gegenüber sitzt?

(Das Licht wechselt.)

Charlotte: Sie stieg gerade aus dem Aufzug, sah die Orchidee, und meinte:

Zänker: Ach ja, Frau Sander, die Phala… eh… nupsi… Also, die Pflanze … Na ja, sie war eher symbolisch als Willkommensgeschenk gemeint. Sie bleibt selbstverständlich dem Büro erhalten. Sie wissen ja: Ausstattung und so. Ich würde sie Ihnen ja abnehmen, aber ich hab gerade keine Hand frei. Sie können sie ja die Tage vorbei bringen. Zeit genug haben Sie ja jetzt. (Sie rauscht ab.)

Charlotte: Und damit rauschte sie an mir vorbei, ihren Becher Kaffee mit beiden Händen fest umklammert.

(Das Licht wechselt zurück.)

Mona: Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass hier irgendwas nicht stimmt. Charlotte, kannst du mir mal bitte sagen, was los ist?

Charlotte: Ich bin im Arsch. Und zwar richtig. Die haben mich gefeuert.

Mona: (entsetzt) Nein! Echt? Ich mach dir erst mal einen Tee.
(Sie legt ihre Filzarbeiten beiseite und geht Richtung Küche.)
Fenchel oder Kamille?

Charlotte: (gereizt) Ich bin nicht krank, Mona. Ich bin nur arbeitslos!

Mona: Ach was, das ist fast dasselbe. Dann mach ich dir eben einen schönen Grünen.

Charlotte: (will sich in den Sessel fallen lassen, auf dem Monas Filzarbeiten liegen)

Mona: (springt zum Sessel, und kann gerade noch das zuoberst liegende Filzding retten, bevor Charlotte drauf plumpst) Pass auf! Das ist mein neuester Renner! Die Filzhülle für die Milchpumpe!

Charlotte: Für was?

Mona: Milchpumpen-Umhänge und Mutterpass-Schutzhüllen. Davon kriegen die Leute nie genug. Wusstest du, dass Mütter so was noch vor der Wickelkommode anschaffen?

Charlotte: Nein, wusste ich nicht.

Mona: Eben! Ich hab gerade einen Großauftrag von einer Firma bekommen, die das mit den Schutzhüllen im ganz großen Stil aufziehen will … – Sorry. Ich fasele hier was von meinen Aufträgen, dabei bist du gerade eben gefeuert worden.

Charlotte: Schon gut. Du kannst ja nichts dafür. Immerhin lenkst du mich ab …

Mona: Hast du dir mal überlegt, was du jetzt machen willst?

Charlotte: Mona?

Mona: Ja?

Charlotte: Es ist vor einer Stunde passiert.

Mona: Klar. – Feigling?

Charlotte: Feigling!

(…)

 


 

4. Akt

1. Szene

 

Ein paar Tage später in Charlottes Wohnung.

 

Wenn der Vorhang sich öffnet, sehen wir das totale Chaos in Charlottes Wohnung. Lagen vorher ein paar Dinge herum, wirkt es jetzt, als sei eine Bombe eingeschlagen. Leere Flaschen: Cola, Wein, Schnaps, etc.; Pizzakartons mit abgekauten Resten, Chipstüten, Süßigkeiten jeder Art, etc.; Anziehsachen, alles liegt kreuz und quer verteilt. Auf dem Sofa liegt Charlotte, nicht sichtbar unter einem Haufen aus Kissen und Decken begraben.

Wir hören energisches Dauerklingeln an der Wohnungstür sowie gleichzeitiges, heftiges Klopfen.

 

Mona: (von draußen verzweifelnd rufen) Charly, bitte! Mach endlich auf!

Trine: (von draußen energisch) Charlotte! Du machst jetzt sofort die Tür auf! Wir wissen, dass du da bist!

(Wieder wildes Klingeln und Klopfen an der Tür.)

Trine: (energisch) Charlotte, ich zähle jetzt bis drei, wenn du dann nicht aufmachst, schließen wir uns selber auf! – Eins! – Charlotte, der Schlüssel steckt schon! – Zwei! – Charlotte, ich drehe jetzt den Schlüssel langsam um! – Zweieinhalb…

Mona: (verzweifelt) Boah, Trine! Jetzt mach schon!

Trine: Drei!

(Beide stürmen herein, Trine sieht man bereits an, dass sie schwanger ist, Mona hält einen Stapel Post in der Hand, beide bleiben beim Anblick des Chaos wie angewurzelt stehen, sehen sich entgeistert an.)

Trine: (zu Mona) Bist du sicher, dass es ein Pizzabote war, der aus Charlottes Wohnung kam?

Mona: (zu Trine) Hundertprozentig! (ängstlich rufend) Charly?

Trine: (zu Mona, jetzt auch besorgter, ängstlich) Vielleicht ist das nur Tarnung gewesen, und der Pizzatyp ist so ein Per… Per… Performer.

Mona: Perverser.

Trine: Du glaubst das also auch! Das sieht hier doch nach Kampf aus. Er hat Charlotte überwältigt, und jetzt ist sie seine Sex-Sklavin!

(Beide sehen erschrocken in Richtung Schlafzimmer.)

Trine: Er hat sie ans Bett gefesselt!

Mona: Darum quillt ihr Briefkasten über, und darum reagiert sie auch nicht auf Anrufe und Klingeln an der Tür! (Sie sehen sich entsetzt an.) Vielleicht liegt sie da und ist schon …

Trine: Sieh nach!

Mona: Wieso ich?

Trine: Weil ich schwanger bin!

Mona: Na und?

Trine: Willst du das ich frühzeitige Wehen bekomme?

Mona: (schuldbewusst) Oh nein, natürlich nicht. (Sie will langsam Richtung Schlafzimmer gehen.)

Trine: Außerdem muss ich mich setzten. (Sie geht zum Sofa, entdeckt eine offene Tüte Popcorn, nimmt sie und lässt sich damit auf das Sofa fallen, direkt auf Charlotte.)

(Charlotte dadurch aufgeweckt, schreckt mit einem markerschütternden Schrei hoch, zeitgleich Trine, mit markerschütterndem Schrei, wobei das ganze Popkorn durch die Gegend fliegt, und zeitgleich hören wir natürlich auch Mona markerschütternd schreien, die ihren Gang Richtung Schlafzimmer nicht wirklich beschritten hat, unisono aber mit dem fliegenden Popkorn, den kompletten Stapel Post in die Luft schmeisst)

Trine: AAAHHHHHHHHH!

Charlotte: AAAHHHHHHHHH!

Mona: AAAHHHHHHHHH!

(Alle drei sehen sich entgeistert an.)

Charlotte: (sieht ziemlich verwahrlost aus, ärgerlich) Was soll der Scheiß? Ihr habt mich zu Tode erschreckt!

Mona: (läuft erleichtert zu Charlotte und nimmt sie in den Arm, freudig) Du lebst! (Sie entfernt sich wieder einen Schritt von ihr, rümpft die Nase.) Aber du solltest duschen.

Charlotte: (immer noch ärgerlich) Was? (Sie nimmt das Oropax aus ihren Ohren.) Was wollt ihr hier?

Trine: Charlotte! Wir haben uns Sorgen gemacht!

Charlotte: (pampig) Wieso?

Mona: Wieso? Na hör mal, seit Tagen verkriechst du dich hier und tust so als seist du nicht da! Du gehst nicht ans Telefon, reagierst nicht auf mein Klingeln und Klopfen, dein Briefkasten quillt über…

Trine: Ich hab Mona dann gesagt, dass du bestimmt wieder zu deiner Oma aufs Land gefahren bist. Obwohl es schon verantwortungslos von dir ist, ohne uns ein Wort zu sagen, einfach zu verschwinden.

Mona: Zuerst hab ich mich von Trine beruhigen lassen, und auch geglaubt du seist zu deiner Oma gefahren. Aber als ich vor einer Stunde den Pizzaboten aus deiner Wohnung rauskommen sah, und du auf mein Klingeln wieder nicht reagiert hast, hab ich plötzlich Panik gekriegt und Trine gerufen. Ich meine so wie du im Moment drauf bist, da traut man dir doch alles zu.

Charlotte: (schroff) Was soll das denn heißen?

Mona: (resolut) Das du in der übelsten Phase aller Phasen angekommen bist! Der unkontrollierten depressiven Fressphase!

Charlotte: (pampig) Na und, wen interessiert’s! Ist doch egal ob ich auseinander gehe wie ein Honigkuchenpferd, mich will doch sowieso keiner. Ich hab keinen Job, krieg keinen Job, bin inkonsequent, unsicher, völlig orientierungslos und hoffnungslos überfordert. (verzweifelt) Selbst meine Mutter in Grönland kriegt es hin, Schlittenhundefahrten mit ihrem Robbenjäger zu organisieren. (kleinlaut, selbstmitleidig) Und selbst wenn ich den Mut aufgebracht hätte Eric zu gestehen, dass ich in Wirklichkeit eine arbeitslose Niete und nicht die hippe, alleinerziehende Charly von nebenan bin, hätte er schon nach kurzer Zeit gemerkt, wie überfordert ich mit allem bin, und mich wieder verlassen. Kein Mann, der eine kleine Tochter alleine großziehen muss, braucht so eine Frau wie mich!

Trine: (sanft, verständnisvoll) Ach, Süße! Du bist ja über beide Ohren verliebt. Wirf doch nicht gleich die Pfeife ins Feld.Ist doch alles zu regeln. Musst ihn nur anrufen.

Mona: Trine, es heißt Flinte. Und ins Korn!

Trine: Was?

Mona: Man wirft nicht gleich die Flinte ins Korn, nicht die Pfeife ins Feld.

Trine: Ach, ist doch sowieso ein blöder Spruch! (zu Charlotte) Mach endlich weiter, darum geht es doch!

Charlotte: (gefrustet) Ja. Darum geht’s. Nur geht’s halt mal nicht weiter. Manchmal gibt’s auch Sackgassen!

Mona: (energisch) Und da muss man eben wieder rausfinden!

Charlotte: (aufgebracht) Wie denn? Meine Güte Mona, ich hab dir doch die Situation geschildert als Marc da war, und ich Eric die Tür aufgemacht habe!

Trine: Na und! Er hat euch doch nicht in … in flamingo erwischt. (lacht, sieht in Charlottes versteinertes Gesicht, ernst) Er hat euch in flamingo erwischt.

Mona: In flagranti, Trine.

(…)

 

Ende des Textauszuges


Pinguinwetter - Neues Theater Hannover

Fotos: Neues Theater Hannover, 2014 (Foto: Oliver Vosshage)

Pinguinwetter - Neues Theater Hannover
Pinguinwetter - Neues Theater Hannover

Pinguinwetter - Neues Theater Hannover